GRÖNLAND
AN BORD DER MS FRAM

Ein Tagebuch von Johanna Stöckl

Blaue Kolonnen, ein Herzberg und der Weihnachtsmann

Tag 6: Uummannaq / Ukkusissat KARTE

Am ersten Tag, gleich nach dem Check In hat jeder der etwa 170 Passagiere eine blaue Outdoorjacke von der Reederei Hurtigruten erhalten. 90 Prozent der Seereisenden tragen sie auch gleich, wann immer sie nach draußen gehen. In dieser Einheitskluft sehen plötzlich alle gleich aus. So eine Uniform hat Vorteile: Hat man sich in einem Ort einmal etwas abgesondert, ist man gar vom Weg abgekommen, kann man sich an den blauen Männchen wunderbar orientieren. Kurios sieht es dann aus, wenn alle zeitgleich an Land gehen. Dann macht sich ein blauer Wurm auf den Weg. Wer nicht hinterher latschen will, hat es leicht: einfach vorerst in die Gegenrichtung laufen oder überhaupt deutlich früher oder später an Land gehen.

Nimmt man an Gruppenwanderungen bzw. Veranstaltungen an Land teil, kann man sich praktisch nicht verlieren, auch wenn man sich während der ersten Tage noch gar nicht kennt. Immer dem Blau nach! Andererseits macht sich die Einheitsfarbe nicht so gut auf Fotos. Etwas mehr Abwechslung in den Farben der Klamotten würde den Bildern wirklich gut tun. Ich habe daher für mich beschlossen, diese Jacke erst zu Hause zu tragen.

Am sechsten Tag erreichen wir Uummannaq und haben damit den 70. Breitengrad überschritten. Gegen 11 Uhr bringen uns Tenderboote von der Gangway aus an Land. Ein zauberhafter Ort! Er liegt am Fuße eines herzförmigen, 1.170 Meter hohen Berges, auf einer kleinen Insel. Ungefähr 2.600 Menschen leben hier, hauptsächlich von der Jagd und vom Fischfang.

Ich habe mich für "ein Gespräch mit Einheimischen" eingetragen. Im örtlichen Museum hat man im Garten Stühle für uns aufgestellt. Ule Quist, ein 64-jähriger Fischer aus dem Ort, ist unser Gesprächspartner. Da er nur Grönländisch und kein Wort Englisch spricht, stellt man ihm Jonas, der hier ebenfalls geboren ist, als Dolmetscher zur Seite. Ule Quist erzählt von der Historie der Jagd und Fischerei. In seinen ersten Berufsjahren zog man im Winter ausschließlich und tagelang mit dem Hundeschlitten los.

"Time is money" – auch in Grönland – heute benutzen die meisten Inuit Schneemobile als Fortbewegungsmittel, wenn sie im Winter auf Jagd gehen.

Allerdings, das gibt Ule zu bedenken, können Schneemobile keine Fährte lesen. Regelmäßig verirren sich daher im Winter Jäger im Sturm. Mit Hunden passierte das praktisch nie. Schlittenhunde werden seit etlichen Jahren von Schneemobilen verdrängt. Auch, weil die Winter über die Klimaveränderung immer kürzer werden und die Hunde nur noch ein paar Monate pro Jahr zum Einsatz kommen, aber das ganz Jahr über gefüttert werden müssen. Heißt: das Schneemobil ist kostenmäßig günstiger. Im Sommer ist die Entwicklung ähnlich. Mit Kajak und Harpune geht heute kein Grönländer mehr zum Fischen. Man bewegt sich auf Booten, die mit entsprechender Technik ausgerüstet sind und fischt an langer Leine mit bis zu 2.000 Ködern am Stück.

Am Nachmittag wandere ich mit einer Gruppe zur so genannten "Hütte des Weihnachtsmannes" am Fuße des Herzberges. PR ist also auch in Grönland angekommen. Santa Claus läuft immer und überall: in Norwegen, Finnland, Kanada und? Wieso nicht auch in Grönland! Der Legende nach erholt sich in Uummannaq der Weihnachtsmann im Sommer von den stressigen Wintermonaten.

Jedenfalls lohnt sich die aussichtsreiche 3-stündige Tour über das imposante Felsplateau. An der Hütte angekommen, überrascht uns das Team der MS Fram mit Kaffee und Kuchen.

Abends besuchen wir noch für zwei Stunden das 180-Seelendorf Ukkusissat. Wieder sind es die Kinder, die mich begeistern. Was sie wohl für eine Zukunft vor sich haben?

Dies und das aus Uummannaq

➡ In Uummannaq fischt man u.a. 8.000 Tonnen Heilbutt pro Jahr und exportiert die Fische in die ganze Welt. Den Vertrieb übernimmt "Royal Greenland", eine Logistik-Kooperative, mit der jedes Fischerdorf auf Grönland zusammenarbeitet. Seewolf, Dorsch und Rotbarsch, auch Heringe werden in großem Umfang gefischt. Minkwale ebenfalls, streng nach Quote, neun Stück pro Jahr.

➡ Auch Moschusochsen, Karibus, Rentiere und Robben werden in Uummannaq gejagt. Eisbären ebenfalls, streng nach Quote.

➡ Latte Macchiato in Uummannaq? Gibt es! Gesehen in einer kleinen Bar am Pier.

➡ Der herzförmige Berg, dem Uummannaq zu Fuße liegt, wurde von Schweizern erstbestiegen. Die Grönländer selbst haben kein Interesse am Bergsteigen. Sie haben laut Ule "wirklich Besseres zu tun und andere Probleme".